Gründungsgeschichte
Wir erinnern uns …
Die vielfältige Not nach dem ersten Weltkrieg, von der besonders die Familien des Ruhrgebietes betroffen waren, machte unser Gründer, der Franziskanerpater Quintinus Wirtz, zu seiner eigenen. Er sah die Schwierigkeiten, die entstehen, wenn die Mutter in der Familie, aus welchem Grund auch immer, ausfällt. Auf bestehende Einrichtungen, wie wir sie heute haben, konnte er nicht zurückgreifen. Freie Familienpflegerinnen gab es damals noch nicht, ebenso wenig Ordensschwestern, die in die Familien gingen, um ihren Dienst dort zu tun.
Pater Quintinus rief die Essener Drittordensjugend auf, sich für diese Aufgabe in ihrer Freizeit zur Verfügung zu stellen. Seine Bitte blieb nicht ungehört. Viele Frauen folgten dem Aufruf und halfen, so gut sie konnten. Aus diesen kristallisierte sich im Laufe der Zeit eine Gruppe Gleichgesinnter heraus, die nicht nur gelegentlich und für kurze Zeit halfen, sondern es sich zur Lebensaufgabe machten, den in Not geratenen Familien zu helfen.
Sie begannen zunächst mit der Familienpflege unter dem Titel: „Familienpflege vom Dritten Orden des Hl. Franziskus.“ „Die Schwestern halfen, wo immer sie gebraucht wurden, Tag für Tag, bei Arm und Reich, in Zigeunerwagen und Baracken …“, so ist es in der Chronik zu lesen. Obwohl von der Intention des Gründers keine klösterliche Gemeinschaft gewollt war, konnte niemand die Entwicklung in diese Richtung aufhalten. Von Anfang an war es Ziel und Wunsch der Schwestern, als religiöse, klösterliche Gemeinschaft anerkannt zu werden. Sie führten ein ordensähnliches Leben und setzten alles daran, auch als religiöse Gemeinschaft von der Kirche bestätigt zu werden.
Im September 1939 gestattete Herr Kardinal Schulte, Köln, den Namen der Gemeinschaft zu ändern in: “Franziskusschwestern der Familienpflege – Dienerinnen der seraphischen Liebe.“ Die offizielle Eintragung erfolgte aber erst mit der kirchlichen Anerkennung als „Kongregation Bischöflichen Rechtes“ im Jahr 1946.
Die Schwestern übernahmen zu ihrer, der Gemeinschaft spezifischen Lebensordnung, die Regel des „Regulierten Dritten Ordens des heiligen Franziskus“.
In unserer Lebensregel heißt es
„Die Lebensform der Brüder und Schwestern vom Regulierten Dritten Orden des heiligen Franziskus ist diese: Unseres Herrn Jesu Christi heiliges Evangelium zu beobachten durch ein Leben in Gehorsam, Armut und Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen.“
Die evangelischen Räte sollen unseren Alltag so prägen:
Der Gehorsam durch Verfügbarkeit und Ausgerichtetsein auf den Willen Gottes in den Anforderungen des täglichen Lebens.
Die Armut durch Zufriedenheit und Anspruchslosigkeit.
Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen durch Hinwendung zu Gott und den Menschen.
Wir nehmen aktiv teil am Leben und Wirken der Kirche durch die tägliche Mitfeier der Eucharistie und durch das gemeinsam gebetete Stundengebet. Meditation und Schriftlesung haben ihren festen Platz im Leben einer jeden von uns.
Das Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung ist uns ein wichtiges Anliegen.
Gefragt nach dem Besonderen, dem Charisma unserer Gemeinschaft, lautet einhellig die Antwort:
Die Zeichen der Zeit erkennen und entsprechend handeln. Dieses Charisma zieht sich gleichsam wie ein roter Faden durch die 90 Jährige Geschichte unserer Gemeinschaft.
Bis in die Gegenwart hinein lassen wir uns von der Not der Zeit herausfordern. So ist es verständlich, dass im Laufe der Zeit zur klassischen Familienpflege, andere caritative Aufgaben hinzukamen, so die Tätigkeit als Erzieherin in Kindergärten, in der Jugendarbeit und der Einsatz in Sozialstationen.
Eine neue Herausforderung für die Gemeinschaft war die Errichtung von zwei Altenheimen in den 50-er Jahren, da die Zahl der alten und allein stehenden Menschen immer mehr zunahm. Die Schwestern stellten sich der stationären Betreuung, waren aber auch in der offenen Altenhilfe tätig.
Der Bau eines ordenseigenen Krankenhauses im Jahr 1961/1963, angrenzend ans Mutterhaus, geschah aus verschiedenen Gründen. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges mussten Patienten im Mutterhaus untergebracht werden. Um die Kranken unter medizinisch günstigen Bedingungen behandeln zu können, war ein Neubau notwendig, aber auch für die Schwestern, um ihnen ihren vollen Wohn- und Lebensraum zurück zu geben, denn sie lebten auf engstem Raum.
Eine weitere Antwort auf die Not der Zeit gaben wir durch die Errichtung von Fachseminaren. Es war uns wichtig, den Gründungsauftrag an nachfolgende Generationen weiterzugeben.
Das „Fachseminar für Familienpflege“ wurde 1970, das „Fachseminar für Altenpflege“ 1975 gegründet. Viele junge Menschen erhielten hier ihre Befähigung zum sozialen Dienst innerhalb der Gesellschaft. Das Familienpflegeseminar musste leider 1994 wegen fehlender Nachfrage aufgegeben werden.
Das „Fachseminar für Altenpflege“ wurde am 1. Januar 1996 in den Verein „Katholische Schule für Pflegeberufe, Essen“, eingegliedert, die Trägerschaft auf den Schulverein übertragen.
Die Zeichen der Zeit erkennen und entsprechend handeln!
Wir haben erkannt, dass für uns die Zeit der „Institutionen“ und der großen Werke vorbei ist. Lassen und Über-lassen, sich neu auf den Gründungsauftrag besinnen, das hat unser Handeln im letzten Jahrzehnt bestimmt.
So haben wir unser ordenseigenes Krankenhaus am
1. August 1991 durch einen Erbbaurechtsvertrag über 99 Jahre, an die Katholische Kirchengemeinde St. Dionysius, Essen-Borbeck, übertragen.
Für das ordenseigene Altenheim St. Elisabeth, Paderborn, hat der Verein „Katholische Altenhilfeeinrichtung im Erzbistum Paderborn“, am 1. Januar 1995 die Betriebsträgerschaft übernommen.
Eine geplante Sanierung des Hauses wurde verworfen, stattdessen entstand an gleicher Stelle ein Neubau, der im August 2003 bezugsfertig war.
Für das ordenseigene Altenheim „Liebfrauenhof“, Reifferscheid, fanden wir im März 2001 eine gute Lösung. Zusammen mit der „Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH“, gründeten wir die „Liebfrauenhof Schleiden GmbH“.
Die Übertragung der Trägerschaft auf die „Liebfrauenhof Schleiden GmbH“ zum 01. Januar 2003, ermöglichte den Umzug der Heimbewohner in das private Altenheim am „Schloss Schleiden“, das zu diesem Zeitpunkt fertig gestellt wurde.
Der Bau des ursprünglich geplanten Neubaus auf dem „Sportplatz am Schloss“ wird aber weiter verfolgt.
Der Liebfrauenhof Reifferscheid, seit 1926 in unserem Besitz, wurde am 01.03.2004 mit allen Ländereien an Herrn Tobias Corsten, verkauft. Die „Heinrich Corsten Schule“, Mönchengladbach, richtet hier eine Ergänzungs-/ Ganztagsschule für etwa 30 Problemschüler ein.
Bei allem „Tun und Lassen“ steht die Gründungsintention, die „Pflege der Familien“ im Vordergrund. Aber nicht nur das. Durch die Veränderungen und die sich daraus ergebenden neuen Aufgabenstellungen hat der kontemplative Anteil unseres Lebens wieder den Stellenwert bekommen, der ihm zusteht.
Die Aufgabenstellungen sind für die einzelnen Schwestern im Mutterhaus verständlicherweise sehr unterschiedlich.
Für die Schwestern, die nicht mehr am Berufsleben teilnehmen, stehen ehrenamtliche Aufgaben im Vordergrund.
Dadurch sind wir der Gründungsidee ein wenig näher gekommen, denn schon in der ersten Lebensordnung hieß es:
„Unterschiedslos und unentgeltlich sollen die Schwestern den Familien helfen“.
Nähe zum „Anfang“ ist auch, dass sich franziskanisch interessierte Menschen mit uns gemeinsam auf den Weg machen.
Und vielleicht sind es gerade die betenden Hände, die uns allen den größten Dienst erweisen (nach dem Theologen Karl Rahner).
Die Zeichen der Zeit sehen und entsprechend handeln, ist das Charisma, das sich wie ein roter Faden durch die Geschichte unserer Gemeinschaft zieht, angefangen im Gründungsjahr 1919 bis zum heutigen Tag.
Wir, die wir im 21. Jahrhundert leben, haben uns die Frage gestellt, wie unsere Antwort auf die Zeichen der Zeit lauten muss.
Klassische Familienpflege, wie frühere Generationen sie geleistet haben, ist – bedingt durch die heutige anders geartete Familienstruktur – so nicht mehr aktuell. Hinzu kommt, dass sich kaum noch junge Frauen für ein Leben in einer Ordensgemeinschaft entscheiden. Und doch, der Ruf nach einer Antwort auf die Not, verstummt nicht.
So haben wir uns im Jahr 2004 entschieden, eine Stiftung zu gründen. Wir sehen darin die Möglichkeit, HEUTE unsere Antwort auf die Not der Zeit zu geben.
Die Quintinusstiftung, so benannt nach unserem Gründer, dem Franziskanerpater Quintinus Wirtz, gibt dem Gründungsauftrag, den Familien in Not zu helfen, Zukunft!
Mit den finanziellen Mitteln der Stiftung sollen momentane Notlagen erleichtert, gleichzeitig aber auch eine Grundlage für eine möglichst dauerhafte Verbesserung der Situation geschaffen werden. Die Hilfe ist vielfältig und individuell, schnell und unbürokratisch.
Die Not der Zeit trägt viele Gesichter. Ebenso vielseitig versucht unsere Quintinusstiftung darauf eine Antwort zu geben.
Kleiner Bilderbogen zu unserer Ordensgeschichte